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Lawrence Ati Zigi, Torhüter von Ghana
(Quelle: 11 Freunde)

Waren Gruppenspiele einer Fußball-Weltmeisterschaft schon jemals so spannend wie diese Woche? Wo ein Tor die gesamte Reihenfolge verändern kann, wo jeder jeden schlagen kann und bis zur letzten Sekunde gezittert werden muss? Reinster Nervenkitzel, der sich in unbeschreiblichen Jubel oder tiefste Niedergeschlagenheit Bahn bricht.
Dass der Urugayer Suárez mit allen Abwassern gewaschen ist, weiß man mittlerweile. Wie er aber nach Spielende auf der Bank versucht, seine Enttäuschung über das Ausscheiden durch Heulkrämpfe zu demonstrieren, war übelstes Schmierentheater. Er selbst scheint von seinen schauspielerischen Fähigkeiten auch nicht besonders überzeugt und stülpt sich vorsichtshalber ein Trikot über den Kopf. Jämmerlich.
Addo, Zigi, Fatawu, ene mene miste, raus bist du. Dabei hatte ich es den sympathischen Ghanaern in der Gruppe H am meisten gewünscht.

Das geht ja los wie die Feuerwehr. Chance auf Chance rollt die Maschine Richtung gegnerisches Tor, gefühlt 90 Prozent Ballbesitz. Gnabry und Kimmich nicht wiederzuerkennen, Musiala hinreißend, alle rackern, jeder verlorene Ball wird umgehend zurückgeholt. Das wirkt einschüchternd auf die Mittelamerikaner, aber richtig Angst verbreitet die Linienrichterin, die so grimmig dreinschaut, als wolle sie jemanden mit ihrer Fahne verwemsen.
Nach dreißig Minuten wird es ruhiger, fast Standfußball und Costa Rica wittert katarische Morgenluft. Da strauchelt Raum, Rüdiger patzt und Fuller steht frei vor Neuer. Irrer Reflex! Der Pausenpfiff ertönt zur rechten Zeit.
Was dann kommt, ist ein turbulente, nervenaufreibende zweite Halbzeit. Deutschland ist nervös, Costa Rica energisch, führt plötzlich 2:1 wie auch Japan im zweiten Gruppenspiel gegen Spanien. Damit wäre Japan Erster, Costa Rica Zweiter. Doch wir spielen auf Sieg, drehen das Ding durch Havertz und Füllkrug 2:4. Spanien ehrenlos, verliert und ist weiter. Uns haben 25 Minuten gegen Japan gereicht um auszuscheiden.
Ein Wort noch zur Schiedsrichterin, beste Frau auf dem Platz.

Tag der Entscheidung in den Gruppen E und F.
Spanien darf sich auf einen heißen Kampf gefasst machen, denn Kroatien, Vizeweltmeister von 2018, darf nicht als unbedingter Wunschgegner bezeichnet werden. Sehr körperlich, technisch klasse und mit Modric haben sie einen Mann in ihren Reihen, der auch mit 37 Jahren immer noch zu einem schweinegeilen Zaubertrick fähig ist.
Marokko gegen Deutschland im Achtelfinale? Spannend. Da weht sanft die Erinnerung an 2014 herüber, als der Gegner Algerien hieß. Also lasst uns heute Abend die Costa Rica stürmen.
Für Belgien ist Schluss. Die Gruppe war zu schwer, das Team, das über eine Dekade Spaß gemacht hat, ist alt geworden, und Lukaku bekommt die Kugel einfach nicht über die Linie. Vaarwel.

„Da kommt Messi! Doch da steht Szczesny!“, brüllt mir Oliver Schmidt vom ZDF entgegen. Am besten Torwarts dieses Turniers liegt es heute nicht, sein direktes Duell gegen Messi hat er gewonnen inklusive gehaltenem Elfer, das Spiel verloren. Während der Argentinier jedoch immer wieder für Unruhe in den gegnerischen Reihen sorgt, ist vom polnischen Stürmerstar Robert Lewandowski 90 Minuten lang nichts zu sehen. Da muss gegen Frankreich im Achtelfinale aber mehr kommen.

Die Einstellung hat schon mal gestimmt gegen Spanien und das über die gesamte Spieldauer. Wenn alle auf dem Platz am Donnerstag 100 Prozent bringen, wird CR11 kein Stolperstein, kein zweites „Südkorea“, allerdings nur mit spanischer Schützenhilfe.

DIE AUFSTELLUNG

Im Tor ist MANU NEUER unantastbar, auch wenn seine Rolle bei zwei der drei Gegentore zumindest diskussionswürdig ist.
Erhebliche Probleme in der Abwehr und vorne die wenigen Chancen ungenutzt lassen, ist laut TV-Experte Sandro Wagner, der mittlerweile wie ein 70er-Jahre-Softporno-Darsteller rüberkommt, „eine ganz schlechte Mischung“. Da hat er recht.
RÜDIGER ist gesetzt, SÜLE sicher auch, aber auf welcher Position? SCHLOTTERBECK ist eine Option mit Biss, muss sich aber deutlich steigern, das ist noch nicht der Mann der vergangenen Saison in Freiburg. Man sollte mal bei Meister Streich nachfragen, woran das liegen könnte.
Die Außen sind ein Problem, KEHRER nicht die erhoffte Verstärkung, RAUM hat die richtige Mentalität, wirkt mitunter aber etwas überhastet und unreif und hat gegen Spanien kaum Impulse nach vorne gebracht. Auf ihn wetten würde ich nicht, er kann sich aber vielleicht noch zur benötigten Topform steigern. Experimente mit GINTER und GÜNTER in der Anfangsformation sehe ich eher kritisch, Rotationen dienen nicht der Sicherheit, die Abwehr muss endlich stehen. Für einen von beiden ist vielleicht aber doch Platz, zumindest als Einwechselspieler.
An GORETZKA und KIMMICH führt kein Weg vorbei, wobei unser Chef-Sechser unbedingt noch ˋne Schippe drauflegen muss. Die Ecken sollte er anderen überlassen, scheißer als JK geht gerade nicht. GÜNDOGAN versucht im Mittelfeld zu lenken, macht nach vorne und hinten gute Sachen, hat aber, wie KIMMICH, zu wenig Kontrolle im Mittelfeld.
HOFMANN hat zweimal gespielt, ohne, dass es einer gemerkt hätte. Auch MÜLLER scheint verzichtbar, weil kaum am Spiel beteiligt. Den gegnerischen Torwart permanent anzulaufen ist jedenfalls kein ausreichendes Jobprofil für einen Stammstürmer. Vielmehr hat auch GNABRY nicht bewirkt, von HAVERTZ ganz zu schweigen. Von Ice-Kai kann man so viel mehr erwarten. Die beiden wirken, als wären sie lieber woanders. Auswechselbank?
MUSIALA ist jetzt schon mit 19 Jahren alternativlos, FÜLLKRUG hat auf jeden Fall den Spirit, bei SANÉ versagen sogar die besten Wahrsager. Macht er, macht er nicht?
Auf der Bank sitzen noch ein paar Männer mehr, die Fähigkeiten haben um Spiele zu entscheiden. Warten wir ab, welchen Pfeil der Hansi noch aus dem Köcher zieht. Vertrauen könnte ein wichtiger Faktor sein. Fitness, Bereitschaft, Herz auf jeden Fall. Es wird die Aufgabe von Coach Flick sein, aus diesem Gemenge endlich ein ernstzunehmendes und durchschlagkräftiges Team auf den Platz zu stellen. Vom Titel spricht ja keiner, aber das Achtelfinale sollte doch Pflicht sein.

Wer hätte das gedacht? Jetzt darf doch mitten in Katar eine Frau bei einer FIFA-Weltmeisterschaft zum ersten Mal in der Geschichte ein Herrenspiel pfeifen. Sachen gibts…  Stéphanie Frappart heißt die Auserwählte und wird am Donnerstag unseren Jungs die Flötentöne beibringen.

Am Abend laufen zwei Partien mit Pfiff parallel: Wales-England und Iran-USA würde ich mir auch beide anschauen. Die ARD entscheidet sich sicher nicht allein wegen des sportlichen Genusses gegen britische Inselrivalitäten und für die große Weltpolitik und überträgt den „Kampf der Systeme“.
Diese Paarung endete 1998 bei dem Turnier in Frankreich übrigens mit dem Siegtor des späteren Bochumers Mehdi Mahdavikia 2:1 und war der erste WM-Sieg des Irans.

Ich freu mich, Senegal ist weiter, und das ohne ihren vermeintlich besten Sadio Mané. Dafür mit dem für mich heimlichen Star Aliou Cissé, der als Teamchef seine Mannschaft sicher durch die Gruppenphase geführt hat. Sympathisch.