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Anstoß. Endlich. Was sich dann auf dem Rasen abspielte war eine spannende und für ein Eröffnungsspiel durchaus gutklassige und rasante Partie zwischen zwei völlig unterschiedlichen Mannschaften. Die einen – Brasilien – wollten um jeden Preis gewinnen, die anderen – Kroatien – auf keine Fall verlieren. Den besseren Start hatten ganz klar die Kroaten. Ivica Olic tanzte ein ums andere Mal durch die brasilianischen Reihen und das erste Tor fiel, bevor die Gastgeber überhaupt richtig auf dem Platz waren. Bezeichnenderweise durch das erste brasilianische Eigentor bei einer Weltmeisterschaft. Meine Vermutung von gestern hat sich damit bestätigt: gegen diese Abwehr würde es den Kroaten nicht gelingen, ein Tor zu erzielen. Gut, bis auf David Luiz ist diese Abwehr den Beweis ihrer Klasse schuldig geblieben, da ist noch deutlich Luft nach oben. Der im Vorfeld hochgelobte Dani Alves fiel eher durch sinnentleerte Ausflüge in die gegnerische Hälfte auf und der putzige Wuschelkopf Marcelo nicht nur durch sein historisches Eigentor, sondern auch durch sein 90-minütiges Dauer-Duell gegen Ivan Perisic. Wenn jemand bei jedem kleinen Schubser so nachhaltig und vehement eine Karte fordert wie der Brasilianer, sollte man sie ihm nicht verwehren. Schiedsrichterfehler. Stichwort. Geschenkter Elfer. Geschenkt.
Alle Welt glaubt jetzt, den Stein der Weisen in Form der neuen Torlinientechnik in Händen zu halten. Aber es verhindert auch nicht solche Tatsachen-Entscheidungen, die wie gestern Abend zu diesem Elfmeter führten. Um wie viel ärmer wäre es um diese Welt bestellt, wenn es diese Technik schon 1966 gegeben hätte? Wir schauen mittlerweile auf fast 50 Jahre hitzigste Diskussionen um das (sogenannte) Wembley-Tor zurück. Es geht dabei gar nicht um den verlorenen Titel (was nicht beweisbar ist), sondern um eine der drei Säulen, die die Faszination dieses Sports ausmachen: a. du weißt vorher nie, wie es ausgeht, b. das Spiel als solches, c. das Spiel endet nicht nach 90 oder 120 Minuten. Manche Spiele hören eben nie auf, man kann sein Leben lang darüber streiten. Und diese Kultur der Nachbetrachtung gehört UNBEDINGT zum Fußball dazu und wird uns allen jetzt durch die neue Kamera genommen. 600 Bilder in der Sekunde? Drauf geschissen! Ich bin dafür, sie als Bewegungsmelder in den Gärten der FIFA-Funktionärs-Villen aufzustellen, aber nicht auf dem Fußballplatz!
Ein Wort noch zu Neymar? Ach nee. Zwei Tore gemacht, ganz Brasilien heiser vom Kreischen, alles im gelb-grünen Bereich. Das ist jetzt nicht die richtige Zeit für Kritik. Die wird nachgeholt, und so wie ich diese Hochglanz-frisierte Strafraum-Schwalbe einschätze, ist das ein Versprechen.